Die Waldheide und die Bombardierung am 4.12.1944
Gab es eine Linie vom 4. Dezember 1944 zur Friedensbewegung in Heilbronn?
Stimmen aus der Geschichtswerkstatt „Waldheide“, Veranstaltung am 28.04.2022
Elke Schulz-Hanßen: […] als der Raketenunfall war, da hat das [die Proteste] die gesamte Bevölkerung erfasst. Da ist, glaube ich, der Punkt, an dem sich die Heilbronner Bevölkerung tatsächlich an den 4. Dezember sehr konkret erinnert hat.
Erhard Jöst: Natürlich gibt es eine ganz dicke Linie vom 4. Dezember zur Waldheide. Ich habe ja […] auf das Buch meiner Frau Christel Banghard-Jöst verwiesen, die genau das aufgezeigt hat, und die Frauen, die den 4. Dezember erlebt haben, wie sie geschockt waren durch die Stationierung der Atomraketen.
Günter Spengler: Ich bin als Pfarrer von außerhalb nach Heilbronn gekommen, 1978. Ich habe sehr viel, besonders in den ersten zehn Jahren, Leute zu Hause besucht. Was mir sofort aufgefallen ist, wie stark der 4. Dezember bei allen Menschen, in allen Gesprächen zum Thema gemacht wurde. Entweder weil sie selber so viel gelitten haben oder ein Großteil der Familie umgekommen ist. […] Das war für mich ein ganz starker Eindruck. Ob das zu einer Ablehnung vom Militär überhaupt geführt hat, weiß ich nicht. Aber auf jeden Fall hörte ich Ablehnung, dass jetzt wieder Raketen am Stadtrand stationiert sind, dass Heilbronn wieder – im Kriegsfall – zerstört werden würde. […] Dieses Leid des 4. Dezember war ganz, ganz tief drin. Dann habe ich natürlich auch verstanden, was die Atomraketen in der Stadt wieder alles an schrecklicher Erinnerung hochgebracht haben.
Marianne Kugler-Wendt: Jedem war klar: Wenn es zum atomaren Schlag kommt, dann existiert Heilbronn nicht mehr. Was das bedeutet, wenn eine Stadt nicht mehr existiert, das ist für uns nichts Theoretisches gewesen. Wir kannten das. Der 4. Dezember 1944 ist ja in den Hirnen und in der Ehrenhalle geblieben. Da sieht man, was passiert, wenn eine Innenstadt durch Bomben zerstört wird. Das ist jedem klargeworden. Das unterscheidet uns von anderen Städten, von Mutlangen, von Ulm. Wenn diese Pershing-Raketen bleiben und die weltpolitische Situation sich zuspitzt, ist Heilbronn nicht mehr da. Das war der entscheidende Satz, der dazu geführt hat, dass es zu dieser starken Friedensbewegung in Heilbronn gekommen ist. Ohne die Bilder vom 4. Dezember wäre die Heilbronner Bürgerin, der Heilbronner Bürger auch nach dem 11. Januar 1985 nicht in der Masse auf die Straße gegangen.
Friedensaktivisten greifen die Bombardierung Heilbronns am 4.12.1944 immer wieder als Begründung für ihre Proteste gegen Atomwaffen auf.
Das Programm der “Ersten Heilbronner Begegnung” 1983 zeigt eine Aufnahme des zerstörten Heilbronns.